DESTINAZIONE LIBERTÁ - GERMAN
„Destinazione Libertà“, ein Fächer von Themenaspekten
INPUTS ÖSTERREICH:
1 Resistenza
In Italien ist „Destinazione Libertà“ ein Synonym für die „Resistenza“, den Widerstand gegen den Faschismus und seine Auswüchse.
Unter diesem Titel schreibt Franco Nardella über den Kampf gegen das faschistische System in der Vergangenheit, aber auch die neu aufflammenden rechtsradikalen Tendenzen im Land und weltweit. Er spricht davon, dqß noch nichts gewonnen ist trotz aller Opfer von damals und daß noch ein langer Weg vor uns liege: „.... il cammino è ancora lungo ...“
Das alte, neue Thema schlägt sich auch im nächsten Aspekt nieder:
2 Auf der Flucht in die Freiheit
Europa wird seit Jahren von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten und wirtschaftlich zugrunde gerichteten Regionen überschwemmt und wird kaum Herr der Lage.
In den reichen europäischen Ländern hat man Angst vor „dem Fremden“, Angst, überrollt zu werden und mit den Neuankömmlingen teilen zu müssen.
Neue rechtsgerichtete Tendenzen werden so gestärkt und bekommen in der Bevölkerung aller Staaten zunehmend breitere Basis.
Was die Flüchtlinge oft von ihrem Weg aus Verfolgung, Repression, Gefängnis und Folter in eine vermeintliche Freiheit in Europa zu berichten haben, muß auch den „reichen Westen“ berühren, der die Verhältnisse in deren Heimatländern oftmals verursacht hat.
Die Gegensatzspannung heißt nicht Nord-Süd oder Innen-Außen, sondern Arm-Reich. Die Freiheit, die sich die Flüchtenden erhofften, ist eine trügerische.
3 Auf dem Weg in die Fremde, die Freiheit jenseits des Meeres
Im vergangenen Jahrhundert verließen viele Süditaliener aus Sizilien, den Äolischen Inseln und Kalabrien ihre Dörfer, um nach Amerika oder Kanada auszuwandern. Triebfedern waren Mißernten, auf den Äolen die Reblaus, die alle Weinstöcke und damit den Wohlstand vernichtete und allgemein die erdrückende Armut. Kaum jemand geht von zu Hause fort, um in der Fremde ein neues besseres Leben zu suchen und zu finden, den nicht die Not hinaustreibt.
In Österreich wanderten viel Burgenländer und Oststeirer aus ähnlichen Motiven nach Kanada, den USA und Australien aus.
Der Exodus hat immer Schmerzliches, man läßt viel zurück auf dem Weg in die Freiheit.
Freiheit ist nicht nur Gewinn von Neuland und „besserem Leben“, sondern auch Schmerz und Trennung von Vertrautem, Gewachsenen, das man zurückläßt.
4 Astrophysik und Quantenphysik, Aufbruch in die radikalste Freiheit unseres Jahrhunderts
War die Physik als Königin der Wissenschaften für Jahrhunderte ein Reich der ehernen, unumstößlichen Gesetze, so ist sie heute die spekulativste und von Phantasmen und kaum vorstellbaren Theorien bevölkerte „Disziplin“, wobei gerade das Wort Disziplin im krassen Gegensatz zum Wildwuchs der Hypothesen, Beweise und Gegenbeweise steht, zu Gedankengebäuden, die den Laien vor einem Tor mit sieben Siegeln stehen läßt, als da sind:
- die Stringtheorie, die sich bis zu 24 Dimensionen errechnet, von denen manche ins unvorstellbar Kleinste zielen, kompliziert gefaltet, andere, die direkt neben uns existieren sollen, nur durch eine Art Membran von unserer Welt geschieden.....
- Teilchen, die keinerlei Masse besitzen, Teilchen, die an 2 Orten gleichzeitig sind, Teilchen, die mit anderen quer durchs Universum verbunden, synchronisiert sind, miteinander kommunizieren und von einander „wissen“....
- und dann das unvorstellbar Große, Weite, unser Universum mit Milliarden Galaxien, von denen unsere unbedeutend ist,
- schwarze Löcher, an deren Rändern die Zeit stillsteht,
- die unter einer großen Zahl von Astrophyikern längst als Fakt genommene Idee der Multiversen
- und die Vorstellung, daß wir statt unseres einen, singulär geglaubten Lebens, in anderen Universen eine völlig andere Variante leben, einfach, weil wir uns frei für eine andere Spielart unseres Selbst entschieden haben,
- ein unvorstellbarer Prozeß des Werdens und Vergehens im gigantisch-Großen und winzigst-Kleinen,
- eine Freiheit, die so anonym und vielschichtig ist, daß einen schaudert.
5 Freiheit der Forschung - der Machbarkeitswahn
Die Forschung sei frei.
Soll sie das sein? Beispiel Gentechnik.
Designerbabies, die eine neue Herrenrasse bilden werden, weil sie schöner, intelligenter, durchsetzungskräftiger sind als die dumpfe, unvollkommene Masse?
Nobelpreis für einen Forscher, der ein äußerst preisgünstiges und präzises „Schneidewerkzeug“ für DNA erfunden hat, das künftig in jeder gekachelten Garage zu wer weiß was für „Kreationen“ angewendet wird?
Dinosaurier-DNA, die zu neuem Leben erweckt werden soll.
Ist die Filmszene von vor dem mordlustigen & gefräßigen T-Rex flüchtenden Menschen nur eine Vorwegnahme wie vieles aus den Romanen von Jules Verne?
6 Freiheit des Privaten, Daten – das neue Gold
Bonität, Karriere, Alter, mutmaßliches Gewicht, politisch links oder rechts, Peergroup, welches Bier ich trinke und wie oft eine Kiste in den Kofferraum wandert, Single oder Paar, Kinder oder nicht, wo ich im Urlaub war, wohin ich auf Urlaub will, sexuelle Vorlieben & Abneigungen, Stammlokal, Pollenallergie, Titanknie, Physiotherapie oder Laufgruppe, mutmaßlicher Gesundheitszustand im Allgemeinen, Noten im Maturazeugnis, wir wollen gar nicht wissen, was alles über uns „gewußt“ wird!
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Das Netz umfängt uns längst rundum.
7 Überindividualiserung, Freiheit in einer Gesellschaft von Einzelgängern
Nie zuvor in unserem kulturellen Umfeld war der Vorrang des Individuums vor der Zugehörigkeit zu einer Gruppe, einem Verband so ausgeprägt.
Wir leben in einer optionalen Gesellschaft, in der sich kaum mehr wer festlegen will, weil seine Freiheit, spontan einer eventuell besseren Option folgen zu können, eingeschränkt wäre. Oft hört man auf eine Einladung hin und ob derjenige denn Zeit hätte: Einstweilen hab ich noch nichts vor! Oder: Derweil steht noch nichts am Programm.
Diese Bindungs- und Paktunfähigkeit reicht tief in die Paarbeziehungen hinein.
Ein unverbindlich loses und jederzeit lösbares Verhältnis, das „easy“ und „unkompliziert“ ist, wird bevorzugt. Man will „Spaß“, was immer das sein mag.
Styling – Party – Drogen - Fun.
Die Jagd nach der bestmöglichen Vergnügung ohne Konsequenzen. Schwankung zwischen Adrenalinjunk und Chillout.
Der über allem als Gesetz thronende Freiheitsanspruch macht aber gleichzeitig einsam. Anderntags. Der Mensch als eigentlich soziales Wesen erträgt das nicht.
Drogengleich werden deshalb alle Social-Medias bemüht, man geht virtuelle Bindungen ein und beamt sich in eine Scheinwelt.
Handy weg – Person im Eimer.
8 Über den Wolken
„Über den Wolken muß die Freiheit wohl grenzenlos sein...“, so fängt ein alter Song an.
Der Mensch und das Fliegen, der alte Traum, sich in die Lüfte zu erheben, vielleicht durch ein uraltes Erbe in unserem Stammhirn befeuert, denn ein Teil von uns ist auch Vogel.
Das tragische Scheitern des Ikarus bei der Verfolgung dieses Traums, ein „Zu-Hoch-Hinauswollen, Hochmut kommt vor dem Fall......
Die Lust, durch die Lüfte zu gleiten ist wohl am reinsten beim Drachen- oder Segelfliegen zu erleben oder im anderen Extrem, wenn es einen im Kampfjet mit 8G in den Sitz preßt.....
Die Bevölkerung des Himmels ist noch nicht alt, wieder auferstandene Vorfahren würden staunen, was sich in der Luft rund um den Globus bewegt.
INPUTS ITALIEN:
Cosetta Mastragostino
Ich denke, dass „destinazione libertà“ mit „Ziel – Besinnung“ gleichzusetzen ist. Ich glaube nicht, dass die Menschen frei geboren werden.
Du kannst geboren werden in einer reichen oder armen Familie, mit Eltern, die dich lieben oder nicht, in einer warmen oder kalten Stadt, in einem Land reich an Grün, Meer, Seen und Bergen oder in einer Wüste, in einem demokratischen oder diktatorischen Land und so weiter.
Von Geburt an stehen uns Wege mit mehr oder weniger steilem Anstieg bevor, oder für einige bedeutet es den Abstieg.
Wir können uns entscheiden, uns dem Unglück zu unterwerfen oder dagegen anzukämpfen. Das alleinige Ankämpfen ohne die Garantie auf Sieg lässt uns uns als freie Personen fühlen.
Wir können von Dingen träumen, die niemand zu träumen wagt, aber wenn wir uns entscheiden, den Versuch zu wagen, sie zu verwirklichen - auch wenn wir es am Ende nicht schaffen können, werden wir uns als freie Menschen fühlen.
Um zu kämpfen und zu träumen braucht es die Besinnung, nur mit jener können wir unsere Situation einschätzen und entscheiden, ob wir bleiben, gehen und mit wem wir gehen wollen.
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Über den Migranten-Diskurs
Text von Eduardo Galeano, Spiegel.
„Die Reise des Menschen begann in Afrika. Von dort haben unsere Ahnen die Eroberung unseres Planeten aufgenommen.
Die verschiedenen Wanderungen riefen unterschiedliche Schicksale hervor und die Sonne hatte die Aufgabe die Farben zuzuweisen.
Jetzt haben wir Frauen und Männer, Regenbogen der Erde, mehr Farben als der Regenbogen des Himmels; aber wir sind alle afrikanische Einwanderer.
Selbst die Weißesten der Weißen kommen aus Afrika. Vielleicht verweigern wir uns der Erinnerung an unseren gemeinsamen Ursprung, weil der Rassissmus Amnesie produziert, oder weil es uns als unmöglich erscheint zu glauben, dass in jenen vergangenen Zeiten die ganze Welt unser Reich gewesen sei, eine immense Karte ohne Grenzen, und unsere Beine wären der einzig verlangte Reisepass gewesen“.
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Text entnommen von In comune
Die afrikanischen Menschen haben eine schlechte Wahl: In der Heimat auf Grund von Gewalt und Armut sterben, oder das Leben auf dem Mittelmeer riskieren, in einer Flucht, die Parallelen mit der Bibel aufweist.
Sie sind revolutionäre Subjekte, weil sie nichts sagen, aber sie machen, sie setzen ihre Körper aufs Spiel, gebrauchen Hände und Füße, kämpfen für das Leben, indem sie ihr Leben lassen, sie verfolgen ein Ziel, das, wenn es erreicht ist, nicht nur für sie von Bedeutung ist, sondern für alle, weil es dazu eine andere Welt braucht und vermutlich wird dieses Ziel für andere erreicht, nicht für sie.
Deshalb sind sie Revolutionäre, und dennoch nicht gewalttätig, da sie das System nicht mit Waffen in Frage stellen, sondern die Abgestumpftheit und das Unrecht mit dem sich einfachen Bewegen, dem Gehen, dem Herausfordern des Meeres und den Torturen der Lager aufdecken. Sie erheben Gewissenseinspruch an eine Welt, die sie nicht will.
Die Flucht über das Mittelmeer ist nicht nur das Resultat einer aktuellen Misere, es ist die Konsequenz des größten Verbrechens der menschlichen Geschichte:
Ein begangenes Delikt von Portugal, Spanien, England, Frankreich und Belgien. Ein Verbrechen das – so sagt Ex-Chef der Uno Kofi Anan – mehr als 250 Millionen der Opfer (Schwarze) und das doppelte der Opfer (Weiße) in den zwei Weltkriegen hervorgerufen hat.
Ein Wort fasst die afrikanische Tragödie zusammen: Ausbeutung.
Die rastlose Rasse der Fähigen – menschlich, Bergbauarbeiter und Bauern – begann im 15. Jahrhundert mit Portugal, Spanien, England und Frankreich, als sie mit Gewürzen handelten und auf wachsende Weise mit menschlichen Lebewesen.
Im 16. Jahrhundert haben Engländer und Franzosen Gewürze, Zucker, Baumwolle und Kaffee nach Europa und schwarze Sklaven nach Amerika transportiert; im Jahr 1713 hat London fast zur Gänze das Monopol auf den Sklavenhandel über den Atlantik erhalten (am Ende des 17. Jahrhunderts wurden circa 100 Millionen Afrikaner versklavt).
Nach Jahrzehnten des Kampfes siegte die Antisklaven-Bewegung: 1807 beschließt das Vereinigte Königreich das Ende des internationalen Handels mit menschlichen Wesen und im darauffolgenden Jahr schlossen sich auch die USA an (dies bedeutete nicht das Ende der Sklaverei, aber das Ende des Transports über den Atlantik).
Es kamen auch persönliche Interessen ins Spiel, Rhodesia (heute Zimbabwe) wurde Privatbesitz von einem Engländer, der König von Belgien Leopold II deklarierte Kongo als sein Eigentum.
1884 rief Kaiser Wilhelm II die Konferenz von Berlin aus, bei der sich die europäischen Mächte den Kontinent aufteilen sollten: Eine Einigung, die bis Ende 1914 dauerte.
Die europäischen Länder, die Mauern und Stacheldrahtzäune gegen die afrikanischen Flüchtlinge errichten, machen bis heute weiter, die Rohstoffe Afrikas zu plündern. Nicht nur Gold und Erdöl, aber vor allem seltene Erden: Uran, Coltan, Niob, Tantal und Kassiterit, die notwendig in der Elektronik für Mobiltelefone und in der Raketentechnik sind.
Der Papst spricht von Mitgefühl. Die italienische Regierung von Solidarität. Aber wenn sie erkennen würden, dass es nur einige europäische Länder und Amerika sind, die das Drama in Afrika hervorgerufen haben, wäre es vielleicht besser von Entschädigung zu sprechen.